Samstag, 23. Januar 2016

Mit aller Härte des Rechtsstaates...

von Michael W...

4:50 Uhr nachts am Arsch der Heide. Kein Mensch weit und breit, kein Verkehr, nur ein einsames Auto in einem halben Kilometer Entfernung. 

Eine völlig sinnloserweise rote Fußgängerampel. Ich - etwa 2 Promille, und das ist nur ein Teil der Wahrheit - überquere sie und gehe weiter die Straße entlang.

Das eben noch weit entfernte Auto macht nun eine Metamorphose durch: Es rast auf mich zu, verfügt plötzlich über Blaulicht und stellt sich mir mit quietschenden Reifen in den Weg. Zwei Herren in einer Uniform, die sie als Polizeibeamte erkennbar macht, springen aus dem Wagen und bellen mich an: "Halt! Ihren Ausweis bitte!" Den krame ich aus irgendeiner Tasche und händige ihn den eifrigen Staatsdienern aus. Diese nehmen meine Personalien auf und lassen mich wissen, dass ich mich eines Rotlichtvergehens strafbar gemacht habe, was ein Verwarnungsgeld in Höhe von 5 Euro zur Folge hat.


Ich krame nochmal in meinen Taschen rum, finde einen Zehner, halte ihn den Uniformierten vor die Nase und sage: "Hier, stimmt so, der Rest ist für die Kaffeekasse, Sie haben's ja auch nicht leicht im Moment."

Nein, klärt man mich auf, Zahlung nur mit EC-Karte. "Sorry, kann ich nicht mit dienen, die habe ich im Nachtleben nie dabei, aus Angst vor Überfall und Diebstahl. Man ist ja nicht mehr sicher auf unseren Straßen."

Die Spitze haben sie entweder geflissentlich überhört oder sie hat ihre kognitiven Fähigkeiten überstiegen. Völlig unbeirrt spulen sie routiniert das übliche Programm ab: "Tja, dann müssen wir Ihnen jetzt einen Zahlschein ausstellen, den Sie binnen einer Woche einzahlen müssen." Die nächsten fünf Minuten verbringe ich damit, einen von den beiden Analphabeten beim kunstvollen Ausmalen der blanken Stellen eines Vordrucks zu bestaunen. Mein Kamm schwillt innerlich, denn es ist fickend kalt und ich friere mir den Arsch ab, gemäß der alten Weisheit: "Der Säufer und der Hurenbock, der friert sogar im Winterrock."

Als er sein Geniewerk vollendet hat und mir stolz aushändigt, kann ich es mir nicht verkneifen, ihnen im freundlichsten Ton nett lächelnd einen Abschiedsgruß mitzugeben: "Herzlichen Dank für Ihre Bemühungen, meine Herren. Ich kann nun wieder ruhig schlafen, da der Rechtsstaat wieder hergestellt ist und seine Bürger effektiv vor Schwerkriminalität schützt. Um den Jahreswechsel hatte man ja kurzfristig einen etwas anderen Eindruck." Betretenes Schweigen bei den beiden Herren, der eilig betätigte elektrische Fensterheber trennt sie nun akustisch von mir, auf den sonst üblichen höflichen Gruß muss ich daher schweren Herzens verzichten. Schnell rauschen sie von dannen, um weiteren Schwerbrechern das Handwerk zu legen, immer im Dienste der guten Sache. To serve and to protect.

Um ehrlich zu sein, hätte ich ihnen lieber noch einen ganz anderen Spruch gedrückt, aber ich war leider in der schwächeren Position, da ich das Risiko nicht eingehen konnte, dass sie das volle Programm abziehen, denn wenn sie mich den Adler hätten machen lassen oder mich in die nur 20 Meter entfernte Wache gezerrt hätten, hätte mir der Inhalt meiner Taschen mindestens anderthalb Jahre Urlaub im Staatshotel eingebracht. Unter diesen Umständen ist es dann auch für ein vorlautes Großmaul wie mich ratsam, deutlich kleinere Brötchen zu backen. Zum Glück war ich noch in der Lage, das zu realisieren.

Staat rockt! (y)

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