Donnerstag, 7. Juli 2016

Brüssel - Ein Käfig voller Narren

von Thomas Rietzschel...
In der Haut von Martin Schulz, Jean-Claude Juncker, Elmar Brok und anderer EU-Granden möchte man dieser Tage nicht stecken. In den Brüsseler Amtsstuben geht das große Fracksausen um. Ein Schicksalsschlag folgt dem anderen. Erst haben die Briten für den Austritt aus dem heiligen europäischen Reich votiert. Und dann sind noch nicht einmal die Katastrophen eingetreten, die uns für den Fall der Fälle prophezeit wurden.
Weder gab es an den Börsen einen „schwarzen Freitag“, der das globale Finanzsystem hätte erschüttern können. Noch setzte eine Massenflucht der Investoren aus England ein. Die Kursschwankungen hielten sich in Grenzen; keine zwei Wochen nach der Brexit-Entscheidung bewegen sie sich wieder im üblichen Bereich. Das Pfund wertete zwar ab, doch hat bisher keine Bank Englands ihre Schalter geschlossen.



Wie der Handel so blieb die Wirtschaft von der angedrohten Panik verschont. Der Abgasskandal bei VW schlug international sehr viel mehr zu Buche als die Aussicht, dass die Engländer demnächst wieder als freies Land auf eigene Faust wirtschaften könnten. Schließlich war London ein weltweit bedeutender Finanzplatz, schon lange bevor sie in Brüssel von einem europäischen Großreich zu träumen begannen.

Martin Schulz kämpft - für sich

Wer da wie der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) gleichwohl glaubt, der Brexit werde wenigstens 10.000 Banker veranlassen, von der Themse an den Main umzuziehen, muss etwas an der Waffel haben. Schließlich dreht sich die Welt so wenig um Frankfurt wie um Brüssel, nicht einmal um Europa. Die das nicht wahrhaben wollen, verhalten sich nicht weniger dogmatisch als die Inquisitoren des Mittelalters, wenn sie darauf beharrten, dass sich die Sonne um die Erde drehe. Sie bedurften dieser Ideologie aber, um ihren Machtanspruch zu untermauern. Die Zweifler bedrohten sie mit der Verdammnis und einem Ende im Fegefeuer, so wie die Priester der EU heute den Abtrünnigen den wirtschaftlichen Untergang und die Verarmung in Aussicht stellen.
Dass es in England darauf hinaus laufen könnte, ist vorerst nicht abzusehen. Kommentare, die das Gegenteil suggerieren wollen, wollen der Entwicklung abschreckend vorgreifen. Immerfort bauen sie Drohkulissen auf, die das englische Parlament davon abhalten sollen, dem Willen des Volkes zu entsprechen.
Ein Propagandakrieg, der umso mehr zur Lächerlichkeit entartet, als es bislang keine Anzeichen dafür gibt, dass die Briten schon morgen am Hungertuch nagen werden. Vielmehr droht die Gefahr denen, die sich in Brüssel weiterhin wie die störrischen Esel gebärden, allen voran Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments. Ein gewiefter Spesenritter, der nur zu gut weiß, was er zu verlieren hätte, wenn das englische Beispiel Schule machen würde und das Brüssler Kartenhaus in sich zusammenfiele. Immerhin erhält er neben seinen dienstlichen Bezügen tagtäglich eine Aufwandsentschädigung von mehr als 300 Euro, gut 100.000 per annum. Dafür lohnt es sich  schon zu kämpfen. Dass er dies tut, ist dem Mann nicht vorzuwerfen.

Mit Herzblut und Leidenschaft

„Mit Herzblut und Leidenschaft“ war denn auch ein Artikel überschrieben, den er Anfang der Woche in der FAZ veröffentlichte. Darin erfahren wir unter anderem, dass es sich bei dem 1955 zur Welt gekommenen Martin Schulz sozusagen um einen geboren Europäer handelt. „Denn wir haben“, so schreibt er, „vor über 60 Jahren begonnen, eine neue, ja eine bessere Welt zu bauen“. Da er also schon als Bub an der Mutterbrust dabei war, mitgebaut hat am großen Europa, kann er feststellen: „Diejenigen, die unter der wütenden Raserei der Deutschen zu leiden hatten, haben unserem Volk die Hand gereicht und uns eingeladen, ein Europa zu bauen, das den Krieg auf unserem Kontinent unmöglich macht.“ Der Satz hat es in sich! Hier spricht aus Schulz schon wieder der Deutsche auf dem Vormarsch. Schreibt er doch nicht, die anderen hätten uns aufgefordert, an einem neuen  Europa mit-zu-bauen, sondern „ein Europa zu bauen“. Mit anderen Worten, wir sollten als Deutsche die Sache in die Hand nehmen. Bitte fragen Sie jetzt nicht, ob der Kerl noch Herr seiner Worte ist.
In wem es so denkt, dem ist alles mögliche zuzutrauen, unter anderem die an gleicher Stelle erhobene Forderung nach dem Aufbau „einer echten europäischen Regierung“, also einer Staatsmacht, die den Kontinent von Brüssel aus zentralistisch beherrscht. Statt angesichts des englischen Referendums darüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoll wäre, die Länder weniger unter Kuratel zu stellen, um sie mit größerer Souveränität unter dem Dach der EU zusammenzuhalten, tritt Schulz die Flucht nach vorn an und verlangt den staatsrechtlich sanktionierten Totalitarismus. „Ich will“, „ich will“ schreibt er in einem fort. Dass er das auch noch als einen Ausbau der europäischen Demokratie verkaufen möchte, setzt der Demagogie die Krone auf. Denn wo sollten schließlich die Kandidaten oder politischen Wortführer herkommen, denen die Menschen zwischen Riga und Palermo gleichermaßen vertrauen könnten, die sie auch nur verstehen würden.

Ein Kindergarten für Erwachsene

Allein, mit solchen Petitessen halten sich die Europa-Ideologen ungern auf. Für sie ist die Demokratie eine Sache, die sie unter sich ausmachen: die EU als Splendid isolation. Was muss die Eliten die Realität kümmern, solange sie wohlversorgt in Brüssel ihre Sandburgen bauen können. Auch nach dem absehbaren Ausscheiden Großbritanniens wird die EU bleiben, wozu sie sich in den letzten zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren entwickelt hat: ein Kindergarten für Erwachsene. Sie spielen und balgen sich darin, während die Welt amüsiert zuschaut und weiter ihren Geschäften nachgeht.
Wenn dann aber einer aussteigt, weil er es endlich leid ist, nutzlos herumzutollen, stampfen sie mit den Füßen und greinen. Sie fürchten, andere könnte dem Ausreißer nachlaufen. Weil sie Angst haben, bald allein im Sandkasten zu sitzen, fangen sie an zu krakeelen.
Erschienen auf der Achse des Guten

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