Freitag, 20. September 2013

"Warum verbitten wir den Iranern, was wir uns erlauben?"

von Dr. Eran Yardeni

Während sein Vorgänger wie ein Elefant im Porzellanladen agierte, scheint der jetzige iranische Präsident, Hassen Rohani, die politische Psyche der westlichen Ländern besser zu kennen. Er weiß ganz genau, was gesagt werden muss und was nicht gesagt werden darf, um die moralische Libido der westlichen Welt zu beschwichtigen.

Den Juden hat er zum Neujahrsfest (Rosh Ha’shana) gratuliert, den Holocaust verurteilt und gleichzeitig jede Absicht, Atomwaffe zu entwickeln, dementiert.

Dass die iranische Führung nicht nur den Holocaust verurteilte, sondern auch „ das von den Zionisten verübte Massaker an den Palästinensern“, kann als eine Art von Entzugsproblem betrachtet werden. Denn alte Gewohnheiten sind nicht so einfach loszuwerden. Semantischen Nuancen dürfen die gute Laune nicht verderben.

Und es scheint zu funktionieren. Die deutsche Presse berichtet von einer „veränderten Haltung“, einer „möglichen Wende“ und von “versöhnlichen Tönen“ aus Teheran. Man vergisst aber, dass die iranischen Atompläne gar nichts mit dieser oder jener politischen Figur zu tun haben. Die Frage ist eher eine grundsätzliche als persönliche, vor allem, weil niemand garantieren kann, dass der Nachfolger, genau wie der Vorgänger, den selben Weg gehen wird, auch dann, wenn wir es hier mit einem tatsächlichen politischen Kurswechsel zu tun hätten.

Am Ende des Tages sollten wir uns mit der folgenden Frage konfrontieren: Können wir damit einverstanden sein, dass eine radikale, antidemokratische, antisemitische, Islam-orientierte und nicht unbedingt stabile politische Struktur, die Terrororganisationen im Nahen-Osten unterstützt und bewaffnet, die Möglichkeit bekommen soll, Atomwaffen zu entwickeln oder nicht? Brauchen wir noch einen Unsicherheitsfaktor wie Pakistan oder können wir auf dieses Vergnügen verzichten?

Aus dieser Perspektive ist der Unterschied zwischen Rohani und Ahmadinejad nicht mehr so groß. Die beiden sind nicht mehr als vorübergehende politische Erscheinungen. Die politische und ideologische Infrastruktur wird sie beide überleben. Sie hängt nicht vom jeweiligen Präsidenten ab.

Die größte Gefahr vor diesem Hintergrund ist eine abstrakte Logik. Sätze wie: „Warum verbitten wir den Iranern, was wir uns erlauben?“ spiegeln ein grobes Missverständnis wider. Sie übertragen eine demokratisch-bürgerliche Denkweise auf die Beziehungen zwischen demokratischen und diktatorischen Ländern. Das ist ein kategorischer Fehler. Zwei konkurrierenden Ideologien, die sich ausschließlichen, sind nicht zu vergleichen mit zwei Bürgern, die im Rahmen eines von ihnen beiden anerkannten demokratischen System auf ihre Rechte pochen.

Wer eine diktatorische Ideologie, die die elementarsten Menschenrechte systematisch und strukturell verachtet, die Frauen diskriminiert und Homosexuelle aufhängt, als gleichberechtigt klassifizieren will und im Namen dieser Gleichberechtigung ihr das Recht auf atomare Waffe einräumt, der muss eine sonderbare Vorstellung von Gleichberechtigung und von Gerechtigkeit haben.

Sonntag, 8. September 2013

Angst - Die Religion der Deutschen

von Dr. Eran Yardeni

Deutschland ist weltbekannt geworden durch seine florierende Autoindustrie, seine Biere, seine Schriftsteller und Konzentrationslager. Nicht durch Lava spuckende Vulkane, Hurrikane, Tornados und Taifune, endlose Dürreperiode, Erdbeben, Sintfluten oder flächendeckende Brände. In Deutschland lebt man relativ sicher. 

Vor diesem Hintergrund kann man kaum nachvollziehen, warum nicht weniger als 56% der Deutschen Angst ausgerechnet vor Naturkatastrophen haben. Nur die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten ist noch weiter verbreitet (61%). Andere Ängste, wie z.B. die Angst vor schlechter Wirtschaftslage, schwerer Erkrankung oder Terrorismus scheinen die Deutschen weit weniger zu bekümmern als die Angst vor dem Zorn der Natur.

Ich befürchte, dass diese gesellschaftliche Paranoia nicht nur ein erfolgreiches Produkt der Arbeit der Abteilung für Agitation und Propaganda der Ökobewegung ist, sondern auch das erste Zeichen einer neuen Religiosität einer angeblich säkularen und aufgeklärten deutschen Gesellschaft, ein Rückgriff auf die alten und bekannten theistischen Kategorien, um die ungelösten metaphysischen Fragen der menschlichen Existenz zu beantworten.

Sünde und Tugend, Gott, Mensch, Religiöse Erfahrung und der Anspruchs Gottes auf Gehorsam und Anbetung sind die Kernkategorien der drei monotheistischen Religionen. In deren Rahmen wird Angst nicht nur als ein seelischer Zustand angesichts äußerlicher Bedrohungen oder einfach als Abwehrmechanismus vor potentiellen Gefahren verstanden, sondern vor allem als notwendige Begleiterscheinung der Sünde.

Denn mit der Sünde kommt die Angst vor der Strafe ins Spiel. Die Angst als religiöse Erfahrung ist kein unabhängiges Objekt, sondern ein Produkt menschlicher Taten bzw. Missetaten. Als solche ist sie allanwesend und fast immer von einem schlechten Gewissen begleitet.

Während die Höhenangst durch die Höhe hervorgerufen wird, ohne dass man sich schuldig fühlen muss, deswegen Angst zu haben, ist die religiöse Angst überall anwesend, wo es Menschen gibt. Die bloße Existenz des Menschen ist schon eine angsterregende Situation. Denn der Mensch ist ein latenter Sünder. Er kann jede Sekunde etwas falsch machen und dadurch den Zorn Gottes bzw. der Natur erwecken.

In diesem Sinne weist die Abwesenheit realer angsterregender Objekte in Deutschland (wie Vulkane, Erdbeben oder Tornados) darauf hin, dass der Deutsche keine Angst vor der Katastrophen an sich hat, sondern eher vor der Natur selbst. Und zwar in ihrer theistischen Rolle als Gott-Ersatz und als metaphysischer Richter.

Was diese Angst „religiös“ mach ist nicht die Tatsache, dass sie „unvernünftig“ oder übertrieben ist, sondern dass sie Schuldgefühle bei den Menschen hervorruft, also wie eine Religion funktioniert.

Samstag, 24. August 2013

Die Logik der Geisterfahrer

von Dr. Eran Yardeni

Ein betrunkener Geisterfahrer, der einen Bus voller Kinder mit Tempo 230 in die falsche Richtung auf der Autobahn fährt, mag ein gruseliges Szenario sein. Schlimmer aber ist es, wenn ein von antiisraelischen Halluzinationen besessener Staatsmann keinen Bus sondern eine ganze Nation gegen die Fahrtrichtung steuert – eine Nation die fast so groß ist wie Deutschland. Denn an dem Steuer des 73 Millionen Tonnen schweren türkischen Lastwagens sitzt ein politischer Geisterfahrer, der mit dem Tempo eines Jumbo-Jets und mit dem Pathos eines Diktators Millionen von Türken in den Abgrund des Judenhasses fährt.

Aus der engen Perspektive des osmanischen Pascha ist Israel, wie Professor Moriarty in den Sherlock-Holmes-Geschichten von Arthur Conan Doyle, ein skrupelloser Drahtzieher, der mit seiner magischen Macht die politische Konstellation so gestaltet, wie es ihm gefällt. Sich selbst will er aber nicht bekleckern und deshalb benutzt er immer andere Akteure, um seinen eigenen Zielen und Interessen zu folgen.

Dieses Denkmuster entlarvt die innere Logik des Antisemitismus: Auf der einen Seite wird Israel eine politische Allmacht beigemessen, die es ihm ermöglicht, nach Belieben Präsidenten abzusetzen. Auf der anderen Seite kann aber nicht einmal Erdogan die Tatsache übersehen, dass die Israelis sowohl die Situation in Ägypten als auch die Situation in Syrien als gefährliche Entwicklungen betrachten, die die ganze Region in eine neue Konfliktsituation führen kann.

Vor diesem Hintergrund fragt man sich, warum Israel den politischen Abturz von Mubarak nicht verhindert hat, angenommen, dass es tatsächlich so viel Macht besitzt, wie Erdogan immer wieder behauptet?

Diese Frage scheint genau so banal, um nicht zu sagen kindisch und albern zu sein, wie der Antisemitismus selbst. Denn der Antisemit bestimmt rein willkürlich, wann historische Vorgänge beginnen und wann sie zum Ende kommen, um dadurch den Juden die Schuld an allen möglichen Katastrophen zuzuschieben.

Diese Strategie ist nicht neu. Für viele, um ein Beispiel zu nennen, gilt der 10.6.1967, der letzte Tag des Sechs-Tage-Kriegs, als der „Punkt Null“ des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern, als wollten die Araber vorher mit Israel in Frieden leben, als hätten sie die Teilungserklärung der Uno nicht abgelehnt und ein Jahr danach Israel zu vernichten versucht. Vor dem Sechs-Tage-Krieg war alles in Butter, und das Einzige, das diese Idylle zerstörte, war die kriegerische Abenteuerlust der Zionisten.

Nach dieser Logik könnte man genau so gut die Angriffe auf Hamburg und Dresden als „Punkt Null“ bestimmen, um daraus die Verbrechen des Nationalsozialismus als präventive Aktion, als einen heroischen Selbstverteidigungskrieg in den Geschichtsbüchern zu kanonisieren.

Sonntag, 18. August 2013

Jetzt ist Europa dran

von Dr. Eran Yardeni

Als Jude fühle ich mich meiner historischen Rolle als der ewige Sündenbock der Geschichte der Menschheit beraubt. Völlig unberechtigt finde ich, vor allem weil wir immer da waren, wo man uns nur brauchte – gar kein Ort war für uns zu weit, gar keine Arbeit zu schwer und keine Aufgabe zu gefährlich: Ob Erdbeben, Epidemien, Kriege, Bürgerkriege, Finanzkrisen, innenpolitische Katastrophen und Vulkanausbrüche – wir standen immer zur Verfügung. Einmal bereit, immer bereit!

Wir, die notwendige Begleiterscheinung eines jeden Übels, waren da, als Jesus gekreuzt wurde, als der schwarze Tod Europa überrollte, als das globale Finanzsystem kollabierte und als im Namen Allahs das World Trade Center dem Erdboden gleich gemacht wurde.

Schlachteten die Araber sich gegenseitig ab? Stand eine Ölkrise bevor? Unterdrückten die Diktatoren im Nahen Osten ihre Völker? Haben die Palästinenser der Hamas die Macht in die Hand gedrückt? Man musste uns nicht mal anrufen, wir waren schon vor Ort, um die Schuld auf uns zu nehmen.

Nach so vielen Jahren haben wir viele Erfahrungen gesammelt. Wie sind in diesem Bereich Experten geworden, was uns wiederum ein bisschen übermütig gemacht hat. Wir fühlten uns zwar ständig bedroht, dafür aber total überlegen.

Man konnte uns foltern und töten, uns enteignen, unsere Städte niederbrennen und zerstören, die Schuld aber, so haben wir gedacht, bleibt uns auf ewig erhalten. Ironischerweise haben wir angefangen, die Schuld als eine Art von Lebensversicherung zu betrachten.

Auch wenn man uns als Einzelne loswerden wollte, brauchte man uns unbedingt als gesellschaftliches Phänomen.

Jetzt aber scheint es, dass wir durch einen neuen Konkurrenten herausgefordert werden. Dieser Konkurrent – so ironisch kann nur das Schicksal sein - war vorher unser Peiniger und Henker. Die Narben, die unseren Rücken dekorieren, stammen vor allem von seiner Hand, besser gesagt – von seiner Peitsche. Aber so passiert es manchmal, dass der Protagonist und der Antagonist ihre Rolle wechseln wollen, dass der Sadist sich in die Rolle des Masochist hineinversetzt. Und jetzt ist Europa dran.

Bleibt Europa gelassen und zurückhaltend, während in Kairo und Damaskus Menschen wie Fliegen getötet und vergewaltigt werden – wird ihm vorgeworfen, an dem Tot der Unschuldigen mitschuldig zu sein. Mischte es sich aber ein, würde man sofort über einen brutalen kulturellen Imperialismus des Westens sprechen.

Wer die Zurückhaltung Europas angesichts der Nebenwirkungen des arabischen Frühlings als „zynisch“ bezeichnet, der würde auch jede Intervention in die Angelegenheiten arabischen Völker als zynisch bezeichnen, denn schließlich ginge es dem Westen angeblich nur um Macht, Öl und andere Interessen, die mit Humanismus und Menschenrechten gar nichts zu tun haben. 

Im dieser No-win-Situation macht Europa das einzig Richtige, und zwar gar nichts.

Donnerstag, 1. August 2013

Infantilismus als politisches Programm

von Dr. Eran Yardeni

Der F.C. Basel steht vor einem riesigen Problem. Zwar hat der Club im letzten Heimspiel Maccabi Tel Aviv 1:0 besiegt, jetzt aber muss die Mannschaft nach Israel, und es scheint, wie die Basler Zeitung berichtet, dass nicht alle Spieler zur Verfügung stehen.

Nein, sie sind nicht verletzt oder gesperrt. An einer akuten Sommergrippe leiden sie auch nicht und Flugangst dürfte auch nicht der Grund sein.

Laut der Basler Zeitung sind es politische Gründe. “Es ist eher unwahrscheinlich, dass die beiden ägyptischen Nationalspieler Mohamed Salah und Mohamed Elneny dabei sein werden. Zu heikel ist ihre derzeitige persönliche Situation. Sie stecken in einem politischen Dilemma. In deren Heimatland üben Teile der Öffentlichkeit großen Druck aus und fordern, dass die beiden auf eine Reise nach Israel zwingend verzichten müssten.“ 

Die Tatsache, dass es zwischen Israel und Ägypten schon seit mehr als 30 Jahren, lange bevor die beiden Spieler geboren wurden, einen ziemlich stabilen Friedensvertrag gibt und dass Ägypten keine Forderungen mehr an Israel hat, scheint nicht gut genug zu sein um dieses politische Dilemma zu lösen.

Es mag wohl sein, dass Mohamed Salah und Mohamed Elneny tatsächlich das Opfer eines enormen Drucks aus der Heimat sind, was alles natürlich nur schlimmer macht. Denn wenn das stimmt, dann haben wir es in diesem Fall nicht mit einem persönlichen Problem zu tun, sonder eher mit einem gesellschaftlichen.

Dieses Phänomen hat einen Namen: Es geht um politischen Infantilismus, um eine Bevölkerung, die sich von rückständigen und radikalen Elementen ständig infantilisieren lässt. Außerdem haben wir hier mit dem Wunsch zu tun, zurück in Mamas Bauch zu kriechen, wo der ewige Frühling herrscht und wo man keine Verantwortung für seine Taten und Missetaten übernehmen muss. Die arabische Welt besteht darauf, ein Kind zu sein und ärgert sich trotzdem immer wieder, wenn sie dementsprechend als Kind behandelt wird anstatt als Erwachsener.

In diesem Embryo-Zustand ist der „Andere“ immer an allem schuld, und wenn die Juden ihre Heimat in Argentinien gegründet hätten, würde man zur Not auch die Möwen oder die Fische am Nil für die eigene Lebenssituation verantwortlich machen.

Was diesen kollektiven Hass gegen Israel aber pathologisch macht, ist nicht seine Intensität sondern vor allem seine Zwecklosigkeit. Man kann seine Nachbarn hassen, weil diese seine Leben mit lauter Musik oder mit ständigen Meckereien verderben. ‘Wenn sie nur verschwinden würden’, denkt man sich, ‘hätte ich keine Probleme”. Diese Art von Hass ist zwar banal, dafür aber wenigstens nachvollziehbar, weil sie ein klares Ziel hat. Was aber würden die Durchschnittsmenschen in Alexandria oder Kairo von dem Verschwinden Israels profitieren?

Diese Frage können vielleicht Mohamed Salah und Mohamed Elneny beantworten.