Dienstag, 7. November 2017

Bei Rassismus gleich die Polizei rufen...

von Thomas Heck...

Damit hatten die kleinen Racker wohl nicht gerechnet, dieses Rassistenpack: Der Ausflug einer schwedischen Kindergartengruppe endete mit einem Polizeieinsatz. Und alles nur, weil ein Pippi-Langstrumpf-Hörspiel lief. Davon fühlte sich ein Bibliotheksbesucher belästigt. Der lächerliche Vorwurf: Pippi sei rassistisch. Daher am besten direkt mit dem SEK anrücken, damit die kleinen Rassisten sich ordentlich in die Hosen scheißen. 



Seit mehreren Generationen gehört Pippi Langstrumpf nun zu den Klassikern der Kinderliteratur. Der von Astrid Lindgren erdachte Charakter beeindruckt nicht nur durch seine Stärke und seinen Witz, sondern auch durch seine Fantasie. Der Ansatz der Emanzipation eines Mädchens in der Erwachsenenwelt ist bis heute beispielgebend und sollte in jedes Kinderzimmer gehören. 



Eine Sache wurde aber immer wieder Kritisiert: die Sprache. Pippi Langstrumpf erschien 1945, damals zählten Begriffe wie „Neger“ oder „Zigeuner“ noch zum normalen Vokabular. Heute werden diese negativ konnotierten Wörter meist vermieden. Anders beim Pippi-Hörspiel, das sich die Kindergartengruppe im schwedischen Borås anhörte. 

Rassistische Begriffe in Kinderbüchern 

In dieser Originalversion wird der Vater des Rotschopfes immer noch als „Negerkönig“ bezeichnet und genau hier liegt auch der Grund für den Polizeieinsatz in der Bibliothek. Wobei hier die negative Konnotation erst noch nachzuweisen wäre. Denn weshalb der Terminus "Negerkönig" überhauppt rassistische sein soll, erschließt sich mir nicht. Sehen aber nicht alle so... und auch in Deutschland regt sich schon lange Widerstand. 

Wenn Pippi Langstrumpf in dem gleichnamigen Buch ihren Vater den "Negerkönig" nennt, macht das Kaisa Ilunga sauer: Der Ausdruck sei rassistisch, sagt er. Der Mann aus dem Kongo lebt seit mehr als 20 Jahren in Deutschland. Der Schwarze ist Mitglied im Bonner Integrationsrat. Der Verlag Friedrich Oetinger hat die Wörter "Neger" und "Zigeuner" 2009 zwar aus dem Werk von Astrid Lindgren gestrichen und nennt Pippis Vater jetzt den "Südseekönig". Aber: In rund 70 alten Exemplaren in der Stadtbibliothek Bonn ist immer noch die Rede vom "Negerkönig" oder von Pippi der "Negerprinzessin".




Das will Ilunga ändern. Auch an Bonner Schulen verwende man noch die alte Auflage im Unterricht, erklärt er. Seinen Ärger teilen andere Eltern und auch Schüler. Deshalb hat der 54-Jährige einen Antrag gestellt: Die Bücher sollen weg aus Stadtbibliothek und Unterricht. Am besten verbrennen, darin haben wir ja große Erfahrung. 

War Astrid Lindgren eine Rassistin? Wohl eher nicht. Denn als die schwedische Autorin das Buch schrieb, "war in Skandinavien das Wort 'Neger' die übliche Bezeichnung für Menschen mit schwarzer Hautfarbe", heißt auf der Internetseite des Oetinger-Verlags. 

Bücher sollen ausgetauscht werden 

Es sei auch bis in die 1970er Jahre normal gewesen, das Lied "Zehn kleine Negerlein" zu singen, zitierte der Bonner "General-Anzeiger" den Germanisten Jan Seifert von der Universität Bonn. Die Wissenschaftlerin Antje Hornscheidt, die sich mit dem Thema beschäftigt hat und zusammen mit Susan Arndt das Buch "Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk" verfasst hat, erklärt dagegen: Das "N-Wort" sei auch in den 1970er Jahre bereits rassistisch gewesen. Es habe nur kein Bewusstsein dafür in der Bevölkerung gegeben. 

Pippis Vater zum Südseekönig zu krönen, war nicht leicht für den Oetinger-Verlag: Astrid Lindgren sei ihr Leben lang gegen eine Änderung ihres Buches gewesen. Auch mit ihren Erben habe man lange verhandeln müssen. In der DDR dagegen hat man das Problem mit dem "Negerkönig" schon immer umgangen: Dort hieß Pippis Vater "König der Takatukaner". 

In Bonn stehen die Chancen derweilen gut, dass Pippis Vater bald einen neuen Namen bekommt: "Wir nehmen die Bitte des Herrn Ilunga sehr ernst", sagte Stadtsprecherin Monika Frömbgen. Nun wolle man nach und nach die Bücher austauschen. 

Fragwürdige Begriffe in Kinderbüchern 

Aber nicht nur bei Pippi Langstrumpf finden sich aus heutiger Sicht fragwürdige Begriffe - auch in anderen Kinderbüchern sind sie vertreten: Bei "Struwwelpeter"-Exemplaren von Heinrich Hoffmann im Buchhandel ist immer noch vom "schwarzen Mohr" die Rede. Das Buch "Tim im Kongo" aus der Comicreihe "Tim und Struppi" sei ebenfalls rassistisch, sagt Antje Hornscheidt: Dort zeige der belgische Comiczeichner Hergé die Schwarzen immer mit einfacher, primitiver Bekleidung, bringe sie mit Kannibalismus in Verbindung und lasse sie immer wieder die gleichen, einfachen Worte wiederholen.

Zurück nach Schweden. Wie die schwedische Boulevardzeitung „Expressen“ berichtet, alarmierte ein Besucher die Beamten. In deren Bericht hieß es später, dass die Kindergartenkinder unterschiedlicher ethnischer Herkunft gewesen seien und das Pippi-Langstrumpf-Hörspiel als beleidigend aufgefasst wurde – zumindest von dem namentlich unbekannten Besucher, der den Vorfall meldete. 

Leiterin der Kita entschuldigt sich 

Marie Gerdin, Leiterin der Kindertagesstätte, erklärte, dass sie nicht gewusst habe, dass die Bibliothek Hörspiele habe, die nicht kindgerecht sein. Sie bedaure den Vorfall und wolle darauf achten, dass so etwas nicht noch einmal vorkomme. 

Solche rassistischen Begriffe würden nicht den Werten und den Vorstellungen des Kindergartens entsprechen. 

Rechtliche Konsequenzen muss die Bibliothek in Borås nach dem Polizeieinsatz nicht befürchten. Der zuständige Richter lehnte eine polizeiliche Strafverfolgung ab. Trotzdem möchten die Verantwortlichen das Pippi-Langstrumpf-Original jetzt lieber aussortieren. Und wie fanden die kleinen Rassisten den Polizeieinsatz?








Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen